Jersey
Kanalinsel Jersey: Naturparadies voller Gegensätze

Ein echtes Jersey-Postkartenmotiv: Das Mont Orgueil Castle steht auf einem Hügel bei der Hafenstadt Gorey.
Quelle: imago images/tilo
Briten und Franzosen haben auf Jersey Spuren hinterlassen.Die größte der Kanalinselnhat ihren ganz eigenen Charme – so wie die Menschen, die dubei einer Reise treffen kannst. Egal ob im Watt oder auf einem Weingut.

Eigentlich müsste die Interessenlage klar sein im Watt vor Jersey. Dort, wo mit der Ebbe Hunderte grobmaschige Säcke im wahrsten Sinne des Wortes auftauchen. Sie sind gefüllt mit Austern. Doch Trudie Hairon konzentriert sich bei ihrer Führung weniger auf die bekannte Delikatesse, sondern auf das, was auch köstlich ist, dennoch weiterhin recht verkannt: die Alge.
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Beherzt greift die 68-Jährige immer wieder zu, wenn sie gute Exemplare findet, zeigt sie und erklärt die Unterschiede zwischen Blasentang, Sägetang und Kelp. Sie berichtet, dass es vor der Küste der Kanalinsel sogar Norialgen gibt – die in der ganzen Welt um den Sushireis gewickelt werden.
Trudie Hairon zeigt Algenfunde im Watt vor Jersey.
Quelle: Sebastian Scherer
In der Ferne ist die Normandie erkennbar
Jersey ist eine der Kanalinseln im südwestlichen Teil des Ärmelkanals, unweit entfernt liegt die Schwesterinsel Guernsey. Am Horizont sehen wir die rund 20 Kilometer entfernt liegende Normandie in Frankreich. Die Franzosen sind hier einst eingefallen, doch es blieb auf lange Sicht alles beim Alten – die Insel ist Kronbesitz, also der britischen Krone unterstellt.
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2004 hat Prinz Charles am Albert Pier die Golden Jubilee Needle enthüllt, ein konisches Monument zu Ehren von Queen Elizabeth. Bis zum 20. Jahrhundert sprach man auf Jersey vor allem Französisch, die britischen Offiziere, die blieben, brachten nach den Weltkriegen das Englische mit.
Zurück zu Trudie Hairon, die wirklich brennt für die Algen. Der Blasentang fasziniere auch die Industrie. Die Schönheitsbranche forsche schon lange an dem ozeanischen Grünzeug. Auch Hairon hatte schon viel Zeit, die Algen und die Begebenheiten des Meeresbodens kennenzulernen. Die Augsburgerin hat sich vor zwölf Jahren bei Recherchen für einen Reiseführer in ihren jetzigen Ehemann Derek Hairon verliebt. Und dann auch in die Insel, auf der sie seitdem lebt.
Seymour Tower ist für Übernachtungen buchbar
Zeit, um ihre Lebensgeschichte zu erzählen, hat sie im Watt jedoch nicht. „Wir müssen uns ranhalten“, sagt sie, denn die Flut sei nicht zu unterschätzen – und der Seymour Tower, ein Aussichtsturm aus den Zeiten des Kampfes um Jersey im 18. Jahrhundert, noch einige Hundert Meter entfernt. Der Turm ist auch als Unterkunft buchbar. Gruppen können hier übernachten und sich langsam von der Flut umspülen lassen.

Der Seymour-Tower war früher Wachturm, heute können Gäste in ihm übernachten – solange sie vor der Flut ankommen.
Quelle: Sebastian Scherer
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Tunnel stammen aus dem Zweiten Weltkrieg
Wachtürme, Bunker, ja auch Tunnel gibt es zahllose auf der Insel, weil sie in den Weltkriegen strategisch günstig lag. Nahe der Innenstadt von Saint Helier befindet sich ein solcher Tunnel, der irgendwann einfach endet. Die Zeit im Zweiten Weltkrieg reichte nicht für das ambitionierte Vorhaben, mehr als 20 unterirdische Verbindungen zu buddeln. Immerhin hatten die Soldaten noch Zeit, an der Wand eine Karte der Reeperbahn aufzumalen. Falls man(n) beim Hamburg-Besuch besondere Bedürfnisse habe.

Überall auf Jersey finden sich Spure der Weltkriege. Viele Tunnel können bei Touren besichtigt werden.
Quelle: Sebastian Scherer
Jersey ist die wärmste und sonnigste der britischen Inseln. Die Strände sind lang, das Wasser ist im Sommer zum Schwimmen geeignet. Es gibt aber auch die Hartgesottenen, die ganzjährig planschen. Der Vereinsname jener Kaltwasserschwimmer: Bluetits, also Blaumeisen (es gibt aber auch Gerüchte, dass sich der Name auch auf etwas anderes bezieht).
Jersey-Milch ist ein Exportschlager
Auf Jersey wird auch viel daran gearbeitet, die eigene Identität zu wahren und zu schaffen. Das funktioniert hervorragend mit den Jersey-Kühen – sie sind Exportschlager und Erzeugerinnen des inoffiziellen Inselgetränks, der cremigen Jersey-Milch. Sie veredelt Eis, Schokolade und Pralinen. Dafür eignen sich aber auch andere Angebote – zum Beispiel auf dem La Mare Wine Estate im Norden, Jerseys einzigem Weingut.
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An vielen Orten auf Jersey finden sich typisch britische Herrenhäuser wie hier das La Mare Wine Estate im Norden.
Quelle: Sebastian Scherer
Tim Crowley ist hier Manager, aktuell aber etwas unglücklich: 2021 war das schlechteste Jahr seit der Gründung 1997. Wie in vielen Weinregionen war das Wetter suboptimal. „Das ist der Klimawandel“, sagt Crowley. Ärgerlich, denn sein Produkt ist beliebt. Auch, weil es speziell ist. „Die Leute haben immer nach Sachen gesucht, die sie andernorts nicht bekommen.“
Label „Genuine Jersey“ zeigt lokale Produkte
Einige Produzenten der Insel haben sich deshalb 2001 zusammengetan und das Label „Genuine Jersey“ ersonnen, um den Menschen genau das zu geben. Mehr als 100 gute lokale Produkte tragen es heute. Etwa die Black Butter, eine dunkle, süße Apfelsoße, die sich zu Käse wie aufs Brot empfiehlt. Auch die wird auf dem Weingut hergestellt. „Wir produzieren alles vor Ort“, sagt Crowley.
Selbstversorgung, das ist nicht schwer auf einer Insel, auf der das Essen de facto auf dem Meeresboden liegt. Trudie hat uns inzwischen zurück an die Küste gebracht, im Seymour Pub im Südosten der Insel machen wir Mittagspause. Freudig verteilt sie Algenbutter, die sie selbst zubereitet hat. Die schmeckt tatsächlich köstlich. Und wir probieren die Austern, die wir eben noch vor der Küste gesehen haben. Es sind gesunde Austern, weil der schnelle Wechsel von Ebbe und Flut die Schließmuskeln der Muscheln hervorragend trainiert.
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Austern im Pub genießen
Das Seymour Pub ist so richtig britisch, man trifft sich zum Bier, zum Burger oder eben zur Auster, einfach, weil man kann. Genau wie Jakobsmuscheln gibt es genug davon, die Preise sind niedrig, und die Qualität ist hoch.

Im Seymour Pub gibt es die Austern, die ein paar Hundert Meter vor der Küste gezüchtet werden.
Quelle: Sebastian Scherer
Englischer Inselcharme
Generell sorgt die Umgebung schnell für ein England-Gefühl. Es ist grün, die kleinen Häuschen wirken in der Sonne idyllisch, ansonsten eben etwas grau-rau, das ist der Inselcharme. Ein Bilderbuch-Fotomotiv ist das Mont Orgueil Castle, das auf einem Hügel bei der Hafenstadt Gorey gebaut wurde.
Herrenhaus mit Geschichte
Einer, den man sich kaum englischer vorstellen könnte, ist Vincent Obbard, Besitzer des Samarès Manors, eines teilweise aus dem Mittelalter stammenden Herrenhauses in der Gemeinde Saint Clement. Obbard ist der 45. Seigneur de Samarès, eine Art Lord. In einem Buch zum Anwesen sieht man ihn vor der Queen knien und erfährt von seiner abenteuerlustigen Mutter Elizabeth Knott, die mit ihrem Rolls Royce auch mal nach Libyen fuhr.
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Vincent Obbard ist Besitzer des Samarès Manors, eines Herrenhauses in der Gemeinde Saint Clement.
Quelle: Sebastian Scherer
Vor allem aber erfährt man, wie das Anwesen zu einer der wichtigsten Touristenattraktionen wurde. Sicher auch, weil Obbard hier seinem Hobby nachgeht: vom Aussterben bedrohte Apfelsorten anzupflanzen. Vor allem aber, weil sich dieser Zeitvertreib in einen sehr schönen botanischen Garten einfügt, mit einem kleinen (und sehr guten) Café – und das Manor selbst auch besichtigt werden kann.
Außerdem hat sich einiges an Kutschen, Werkzeug und landwirtschaftlichen Geräten angesammelt, sodass in der Scheune gleich noch eine Art Heimatmuseum entstand. Und Obbard selbst erzählt bei einem Besuch wunderbar unterhaltsam über die Geschichte des Ortes, über seine Familie und über den Cider, den früheren Lebenssaft der Insel. Hunderttausende Gallonen exportierte Jersey im 19. Jahrhundert nach England. „Ich fürchte, es war ein ziemlich grauenhaftes Getränk“, sagt er. Das habe auf der Insel allerdings keinen davon abgehalten, das Gros der Produktion selbst zu trinken.
Leuchtende Lebewesen im Watt
Eine weitere Überraschung erwartet bei einem Jersey-Besuch all jene, die sich abends auf den Weg ins Watt machen: Vor der Küste leben kleine Würmer, die, wenn es dunkel ist, bei Berührung leuchten. Auch wir schleiften mit Trudie Hairon und ihrem Mann Derek in unseren Gummistiefeln im Stockdustern über den feuchten Boden und zogen Spuren der kleinen biolumineszierenden Lebewesen, genannt Caulleriella bioculata, hinter uns her. Eine weitere Besonderheit der charmanten Insel, die man nicht so schnell vergisst.
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Tipps für deine Reise nach Jersey
Anreise: Mit dem Flugzeug über London nach Jersey. Von April bis etwa Mitte Oktober auch per Direktflug ab München und Düsseldorf. Alternativ mit der Fähre von St. Malo in Frankreich. Die Überfahrt dauert etwa 1,5 Stunden. Auf der Insel herrscht Linksverkehr.
Beste Reisezeit: Wegen des Golfstroms herrscht auf der Insel ein eher mildes Klima. Es kann immer mal wieder regnen, allerdings ändert sich das Wetter schnell. In den Sommermonaten liegen die Temperaturen durchschnittlich bei 19 bis 21 Grad Celsius.
Attraktionen: Trudie und Derek Hairon bieten bei Jersey Walk Adventures unterschiedliche Touren an – vom Spaziergang zum Seymour Tower bis zum nächtlichen Biolumineszenzspaziergang, buchbar für rund 23 Euro.
Die Bunker Tours führen zu historisch spannenden Orten.
Jersey Museum & Art Gallery: The Weighbridge, JE2 3NG, geöffnet täglich von 10 bis 17 Uhr (März bis Ende Oktober).
Währung: Auf Jersey gilt das Jersey-Pfund. Es wird aber überall auch das britische Pfund akzeptiert.
Die Reise wurde unterstützt von Visit Jersey. Über Auswahl und Ausrichtung der Inhalte entscheidet allein die Redaktion.
Reisereporter